Wie ist es gerade so als Alleinerziehende im 12.Bezirk mit einer pubertierenden Teenager-Tochter von fast 13 Jahren, zu Zeiten einer Ausgangsbeschränkung? Der Virus, der das ganze öffentliche Leben stillstehen lässt, lässt Mama und Tochter etwas enger aufeinander sitzen als sonst, und verändert nicht nur unser Zusammen-leben, sondern auch unser Zusammen-sprechen.

Alles ist reduziert. Das merke ich auch an unseren Kommunikationsformen. Das Lachen, das gemeinsame Reden, das Zeit miteinander verbringen. Das war schon phasenweise auch vor Corona nicht immer ganz leicht und vielleicht auch ziemlich normal für eine Durchschnittsfamilie mit Teenage-Tochter.
Das positive an Corona: prinzipiell waren wir ja schon ganz gut vorbereitet und experimentieren seit dem 10. Lebensjahr des Kindes alternative Mama-Tochter Kommunikationsformen: wir texten uns am Handy in der selben Wohnung, ganz ohne Quarantäne. Wenn wir sauer sind, und das Reden eher in einem Anschreien und Wütendsein beider Seiten zu enden droht, dann schreibe ich dem Kind eine sms. Eine lustige, mit einem „Herzchen“ am Ende. Oder eine wütende, mit einem „roten Kopf“ am Ende. Meine Tochter greift in dieser Ausnahmesituation seltsamerweise auf altmodisches Briefeschreiben zurück. Die legt sie mir dann vor die Schafzimmer Tür, wohin ich mich zum Abwarten, dass die Wut verraucht, rette. Wahrscheinlich glaubt jeder von uns Zwei, dass der andere ihn so besser versteht: ich mit meiner sms an meine Tochter, mein Kind mit ihrem Wutbrief an mich. Also eigentlich sind wir multimedial perfekt vorbereitet. Gefühle übers Handys zu vermitteln, ging schon immer bei uns, auch zu Zeiten von Wutanfällen.
Erste Woche Zuhause Lernen aufgrund der Corona-Schulschliessung: die Kommunikation des Kindes verlegt sich in Woche 1 noch mehr ins Handy als sonst (danke, Oma, für das unlimitierte Datenkontingent!). Verständlich: Mama geht es genauso in Zeiten von Homeoffice, Telekonferenz und Facebook news checken. Aber dann doch ab und zu: wir sprechen miteinander, mal bei einem verschlafenen Hallo beim Frühstück, mal bei der gemeinsamen täglichen Latein- Lernstunde oder so. Aufgrund dieses selten eintretenden Ereignisses verläuft die Kommunikation dann besonderes spannend für mich. Oft ist die Spannung gefolgt von raschem Ende: statt des erhofften Gesprächs kommt dann nur ein „Chill Mama“. Mh, dann weiss ich wieder, das habe ich jetzt echt schlecht gemacht, diesen Gesprächsversuch. Next time, next chance.
Hatte sich das Kind in den letzten Monaten schon abgewöhnt, „Missgeburt“, das in der Schule und Freunden so beliebte Schimpfwort, zuhause zu sagen? Ja. Nachdem die „Missgeburt“ und „F***“ endlich abgeschafft waren, überfiel mich diese Woche der nächste spannende Level der Kommunikation. Statt Schimpfwörter reichen derzeit 3 undefinierbare Wörter völlig aus, um miteinander zu reden. Chill, schüsch und Wasfür heissen die drei aktuellen Zauberwörtchen im Morsealphabet meines Teens.

Den Siegerplatz unter den beliebtesten Wörter meiner fast 13jährigen bekommt eindeutig das Wörtchen: „Wasfür“. Es soll eigentlich heissen “Wofür“ oder übersetzt mit „Warum, liebe Mama, muss ich das jetzt bitte machen, erkläre mir das nochmals, ich bin auf meinen Ohren gesessen, da ich gerade an mein nächstes Posting auf Insta gedacht habe“. Also „Was für?!“ Das steht für eigentlich alles: „Ich habe gerade keine Lust auf Lateinvokabel Lernen. Es sind ja Corona Ferien und die Lehrer haben uns gesagt, wir sollen uns ausschlafen“ . Oder „Jetzt Badminton spielen gehen mit Dir oder spazieren in der Natur ? „ Sicher nicht!“. Oder „Was für?! Grüner Salat zum Essen dazu? Das hebe ich mir für das Ende auf, wenn ich keinen Hunger mehr habe, nach einer grossen Portion Nudeln mit Speck, um das Grünzeug dann genussvoll übrig zu lassen. „Was für“ ist die absolute Killerphrase. Jede weitere Diskussion lässt sich erfolgreich damit abwürgen und ich ordne ein in die Kategorie: enorme Energieverschwendung & absolute Zeitverschwendung. Das Ende unseres Gesprächs von „Wasfür?!“ schaut dann immer gleich aus: Zufrieden zieht sich das Teenage-Monster mit dem Handy in der rechten, dem Tablet in der linken Hand aufs Hochbett in ihr Zimmer zurück, wo es für den weiteren Rest des Tages wie eine Königin thront, dem die Welt, inclusive der Virus, untertan zu sein hat.
Das zweite Wort, das sich derzeit in unsere besuchsfreien und kommunikationsarmen Tage geschlichen hat, ist nicht minder spannend und heisst „schüsch/cüs“, ganz weich und spuckig ausgesprochen. Nach gefühlten 200 x schüsch in der letzten Woche, mache ich gerade eine Internetrecherche zu schüsch und stolpere dabei über spannende Jugendwörter des Jahres 2019, unter denen es auch seinen festen Platz behauptet. Fest steht auf jeden Fall: ein schüsch wirkt sogar noch besser als ein „Was für“. Es kommt allerdings etwas harmloser daher und wird daher auch universeller für alles eingesetzt. „Schüsch! Was macht die Lehrerin gerade für einen komischen Test auf der Lernplattform, wir haben das noch gar nicht durchgenommen“. „Schüsch, Du willst, dass ich nach 5 Stunden Handy im Bett das Handy weglege?“ „Schüsch, es ist erst 2.00 in der Nacht und Wochenende, ich will noch nicht schlafen gehen“. Das frühere „Oha!“ war mir sympathischer, aber ich merke gerade, je mehr ich über schüsch recherchiere und vielleicht noch interessante Abstammungen entdecke, desto sympathischer wird mir dieses schön klingende Wörtchen.
Teenage Wort Nummer 3: „Habibi“. Das Kind geht in eine grosse Schule mit um die 1000 Kindern an der Grenze zwischen Meidling und Fünfhaus und ist stolz auf seine multikulturellen Freundinnen und Freunde, seine Schule und auch auf seine Lehrer. Die eine beste Freundin ist als „habibi“ abgespeichert im Handy, die zweite beste Freundin als „soulmate“, die arabischen Jungs mit schwarzen Locken findet sich prinzipiell derzeit mehr cute als die österreichischen Jungs, aber das Thema Jungs hat sich damit auch schon wieder erledigt, sehr zur Beruhigung der Mutter. Und das „Habibi“ ist derzeit immer noch die beste Freundin, womit das Thema einigermassen emotionslos für mich abgeschlossen ist.
Ab und zu, wenn wir an guten Tagen doch einmal mehr als drei Worte miteinander sprechen, dann kommen auch ganze Sätze und spannende Gedanken „Mama, das interessiert mich nicht. Und im übrigen, so wie Du mir das erklärst, erkläre ich Dir auch, dass sich die Sprache weiter entwickelt. Du redest halt voll altmodisch. Manchmal verstehe ich Dich gar nicht.“ Schön und wahr gesprochen, sitzt das dann umso mehr bei mir. Mir bleibt dann nichts mehr übrig, als schulterzuckend darauf zu sagen “Habibi, schüsch!“.
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guter Artikel – man lernt neue Wörter 😉 obwohl ich persönlich es sehr bedaure, dass das Österreichische verloren geht. Bin gespannt, wie sich die nächste Woche entwickelt!!
[…] Eine Homestory von Claudia über die Herausforderungen als Teenie-Mutter und wie man dabei immer wieder neue Sprachen spricht. Die gesamte Story findest du hier. […]